In Zürich zeigt man drei Künstlerinnen aus den Dada-Hotspots – und fragt nach ihrer Wirkung im Heute,
Fünf Künstlerinnen und drei Kuratorinnen spielen die Hauptrollen. Und nie muss frau sagen, die männliche Form ist mitgemeint. Denn da sind keine Männer – oder nur als Mittäter und Modelle. Das ist doch erwähnenswert, wenn es um ein Stück Kunstgeschichte geht, das schon 100 Jahre alt ist: um Dada. Oder genauer: um «Dada anders», um Dada weiblich wie in der Ausstellung im Zürcher Haus Konstruktiv.
Konstruktive Kunst und Dada: Ist das nicht ein Widerspruch? Da die geometrische Ordnung, dort das kreative Chrüsimüsi, ja die Dekonstruktion aller Künste? Doch es funktioniert, denn die Kunstgeschichte ist nicht immer konsequent und geradlinig, sondern oft eine mehrspurige Bahn, auf der schmale und breite, makellose und kurvig-holprige Trassees gleichzeitig durch die Zeit führen.
Dada und der Konstruktivismus wurden beide vor ca. 100 Jahren erfunden, gemeinsam war beiden, dass sie der vermeintlichen Realität den Rücken kehrten. Und es gab Künstlerinnen, die auf beiden Hochzeiten tanzten.
Da ist vor allem Sophie Taeuber-Arp, die 1916 im Kreis der Dadaisten als Tänzerin wirkte und die gleichzeitig in ihrem Atelier – angeregt durch ihre Ausbildung in Kunsthandwerk – aus Webarbeiten konstruktive Kunstwerke erfand. Noch bevor man wusste, dass hier einer der wichtigsten -Ismen der Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts im Entstehen war. Nach dem Prinzip horizontal-vertikal schuf Taeuber-Arp berückende Aquarelle, Glasperlen-Webereien oder gemeinsam mit Hans Arp Inneneinrichtungen. Geometrische Muster verwendete sie auch für ihre Dada-Tanzkostüme. Und ihre berühmten Marionetten für den «König Hirsch» sind aus einfachen Fadenspulen, Röhrchen und Kugeln konstruiert.
Sophie Tauber-Arp (1889–1943) verkörpert in der Ausstellung von Sabine Schaschl und ihren beiden Mitkuratorinnen die Zürcher Position. Den Berliner Part übernimmt Hanna Höch (1889–1978), eine der Pionierinnen der Fotocollage. Ob Münzstapel oder Tier-Mensch-Kombinationen: Sie schuf aus bestehendem Material nicht nur formal stimmige, sondern auch inhaltlich aufgeladene Bilder. Kein Wunder, gilt doch Dada Berlin als der politische Ast der Anti-Künstler-Bewegung. Schade nur, ist die Werk-Auswahl in Zürich mager.
Die schrulligste – oder bewundernd ausgedrückt – die verrücktest-kreative Pionierin ist Elsa von Freytag-Loringhoven (1874–1927), die Fundstücke als Readymades zu Kunst erklärte. Ja, eventuell war es gar sie, die Marcel Duchamp das Pissoir schenkte, das zum berühmtesten Readymade der Kunstgeschichte wurde. «Man hat nur Indizien, keine Beweise», sagt Schaschl. Dazu ist Elsa von Freytag-Loringhoven eine der Urmütter der Performancekunst: Ihre Kostüme waren verrückt, ihre Bühne die Strassen von New York. Hätte sich ein Mann das 1918 getraut? Schade nur, ist von ihrem Oeuvre so wenig überliefert.
Dada ist nicht nur Geschichte, sondern wirkt bis heute! Diese These der Ausstellung soll Ulla von Brandenburg (*1974) mit Videos belegen. Hübsch inszeniert ist das Schattenspiel einer Dreiecksbeziehung, raffiniert, wie Dinge aus dem Bild verschwinden und gekonnt surreal aufgeladen wirkt der hübsche junge Magier, der eine Schallplatte mit dem Finger zum Klingen bringt. Gross ist die Geste, mit der Brandenburg im Erdgeschoss-Saal Theatervorhänge zu einem begehbaren Gemälde kombiniert. Doch ist das Dada?
Direkt aus dem Dada-Fundus schöpft die Britin Sadie Murdoch (*1965). Aus Körperabgüssen von Duchamp, konstruktiven Arbeiten von Taeuber-Arp und dem eigenen Körper konstruiert sie Fototableaus, die dadaistischen Witz und die typische Sample-Technik unserer Zeit verknüpft. Zum Glück gelingt es ihr, die Fotoarbeiten mit einer geheimnisvollen Aura, einer gehörigen Portion Frechheit und weiblichem Esprit aufzuladen.
Dada anders: Haus Konstruktiv Zürich, 25. Februar bis 8. Mai.