Manie und Robustheit waren nötig, um 1981 am Untersee ein Theater zu gründen – und es vier Jahrzehnte lang weiterzuentwickeln. Das Buch «leise und laut. brav und frech» blickt zurück und kühn nach vorn. Auch künftig will das Phönix Theater im malerischen Steckborn «Weltstädtisches pflegen».
«Es ist ein märchenhafter Ort, märchenhaft gelegen am See, mit einer Geschichte, die ein bisschen an ein Märchen erinnert, und mit Menschen, die gerne hier ihre Geschichten auf die Bühne zaubern»: Kann man ein Theater abseits der kulturellen Zentren schöner loben als die weitgereiste, unter anderem für die «Neue Zürcher Zeitung» tätige Tanzkritikerin Lilo Weber? Bescheiden versteckt das Phönix Theater Steckborn, gerade vierzig Jahre alt geworden, den Beitrag der Journalistin unter dem Titel «Ein Schaufenster» weit hinten in der Jubiläumspublikation «leise laut. brav und frech».
Dahinter folgen nur noch, ebenso bescheiden klein gedruckt, die Listen der Eigenproduktionen und der Theatermitglieder von 1981 bis 2022 sowie ein Gruss des neuen Präsidenten János Stefan Buchwardt. Doch Philippe Wacker, der das Phönix von Anfang an massgeblich geprägt hat (und deshalb auch eine Hauptrolle in der grafisch ansprechenden Festschrift spielt) konnte sich solche Zurückhaltung selten leisten. Er habe «mit genagelten Schuhen unterwegs» sein und oft um Geld betteln, zugleich den Showman und den Mediator spielen müssen.
Mit Erfolg, wie auf rund hundert spiralgebundenen Seiten mit zahlreichen Fotos aus vierzig bewegten Jahren zu sehen ist. Für jene, die dabei waren, ob auf der Bühne oder im Zuschauerraum, erst im Kehlhof, seit dem Sommer 1990 im ehemaligen Pumpenhaus auf dem Feldbachareal, werden beim Blättern Erinnerungen wach. Die anderen werden bereuen, nicht dabei gewesen zu sein. Sie dürfen sich auf die Zukunft unter dem neuen Leitungsduo Carina Neumer und Julia A. Sattler freuen.
Wie es sich für ein gutes Kleintheater gehört, bietet das Buch keine One-Man-Show, sondern lässt viele auf die Bühne und ans Mikro kommen: die lokale Presse ebenso wie Wegbegleiter und Vertreterinnen aus der Politik. Die bewegte Geschichte des Phönix, vom Projekt ambitionierter Laienschauspieler und -schauspielerinnen hin zum Schaufenster für das zeitgenössische Tanzschaffen scheint auf in den vierzig Fragen, die Philippe Wacker im Langinterview beantwortet: Dies gut verteilt über die reiche Auswahl aus dem Fotoalbum.
Zaubern konnte keiner; der Märchenort musste immer wieder auch den Realitätstest bestehen. Die Publikation macht spürbar, mit welcher Energie und Leidenschaft in Steckborn auf der Bühne und hinter den Kulissen gearbeitet wird; wie stark der Zusammenhalt ist und der Wille, das Publikum zu beschenken. Aber auch zu fordern.
«leise und laut. brav und frech» ist gratis im Theater Phönix erhältlich.