In ihrer Kolumne «Liebes Leben, wir müssen reden» schreibt Social-Media-Redaktorin Maria Brehmer über alles, was das Leben schöner macht – und manchmal auch schwieriger. Heute: Auf Junggesellen-Abschieden tut man so, als gehe mit dem Beginn der Ehe das gute Leben zu Ende.
Junge, der Spass ist vorbei. Geniess deine letzten Stunden in Freiheit, sei Mann, wie es dir passt, saufe, furze und mache Sprüche, wie sie sich nicht gehören. Denn: Schon bald übernimmt die Frau die Macht. Also deine Ehefrau die Macht über dich. Erst verführte sie dich, dann zwang sie dir die Heirat auf – und ehe du dich versiehst, tust du nur noch, was sie will.
Solch pubertäres Gebaren von Männern in den Dreissigern und aufwärts ist unsexy und peinlich, doch was mich wirklich stört ist die Haltung, die die Herren dabei vertreten, etwa mit Slogans auf ihren T-Shirts.
Die Saison der Junggesellen-Abschiede hat begonnen und ich mache wieder viele Bögen um viele Gruppen von betrunkenen Männern mit roten Köpfen, die sich schlecht anziehen und schlecht benehmen. Nein, ich will keinen blaugrünen Schnaps auf ex mit euch trinken und nein, ich blase auch kein Kondom mit meiner Nase auf, obschon du in deinem Penis-Kostüm wirklich bemitleidenswert aussiehst.
Solch pubertäres Gebaren von Männern in den Dreissigern und aufwärts ist unsexy und peinlich. Ich spreche niemandem das Recht ab, sich bis auf die Unterhosen zu blamieren, doch was mich wirklich stört, ist die Haltung, die die Herren dabei vertreten, etwa mit Slogans auf ihren T-Shirts.
Mit der Heirat landet der Mann im Ehe-Knast (wer hat ihn eigentlich dort hineingebracht?), ab jetzt übernimmt die Frau.
«Letzte Auswärtstour» liest man dort, «Game over» oder «Hurra, Michael heiratet! – Scheisse, ich bin Michael!». Im gruseligsten Fall ist ein Brautpaar aufgedruckt, bei dem sich der Mann mit einer Pistole in den Kopf schiesst. Eine schnelle Google-Suche spuckt unzählige solcher Sprüche und Bilder aus. Egal, wie geschmacklos die Mottos sind, sie alle sagen: Mit der Heirat landet der Mann im Ehe-Knast (wer hat ihn eigentlich dort hineingebracht?), ab jetzt übernimmt die Frau.
Hier die freiheitsliebenden, unbedarften, lustigen Jungs, da die strengen, verwehrenden Frauen, die in der Ehe die Hosen anhaben. Wie zynisch die Redewendung «die Hosen anhaben» doch ist: Sie stammt aus einer Zeit, in der ausschliesslich Männer Hosen trugen und die Gesellschaft dominierten; bis heute gilt, dass wenn Frau «die Hosen anhat», sie die traditionell männliche, dominierende Rolle übernimmt. Also etwa jene der Ehefrau. Häh?
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Tatsache ist: Die meisten Frauen nehmen bei einer Heirat noch immer den Namen des Mannes an, laut Bundesamt für Statistik waren es im Jahr 2016 73 Prozent. Seit 2013 darf der Mann den Namen der Frau annehmen, doch von 72 000 Heiraten in der Schweiz im Jahr 2017 waren es nur gerade 833 Männer, die sich für den Nachnamen ihrer Partnerin entschieden. Ich frage mich: Warum zwingen nicht mehr Frauen ihre Männer dazu, den Namen zu wechseln? Oder dazu, sich zu gleichen Teilen um die Kinderbetreuung zu kümmern – wo sie doch die Macht dazu hätten?
Und um beim Zwingen zu bleiben: 2016 wurden in der Schweiz 18 522 Straftaten im Bereich der häuslichen Gewalt registriert, 73 Prozent der geschädigten Personen waren Frauen. Es starben 19 Menschen dabei, 18 waren Frauen. Von Frauenherrschaft kann wohl kaum die Rede sein. Warum schleifen wir auch 2019 noch das Klischee der böse-dominierenden Ehefrau von Junggesellen-Abschied zu Junggesellen-Abschied?
In meinem Umfeld gibt es keine Beziehung, in der die Frau dem Mann die Freiheit raubt. Bei vielen Paaren dominiert mal der Mann, mal die Frau. Es ist doch so: Menschen, die heiraten, leben meist schon vor der Ehe wie Menschen, die längst verheiratet sind. Wenn Spass mit Freunden vor der Eheschliessung wichtig ist, dann wird das auch in der Ehe noch so sein.
Sollte ich übrigens mal an einem Junggesellen-Abschied ein T-Shirt mit einem Spruch entdecken wie: «Ich liebe die Freiheit, Bier und meine Frau», dann trink ich vielleicht sogar auch einen mit.