Tierwelt
Mythen und Irrglauben rund um das Füttern von Vögeln im Winter: Was stimmt, was ist falsch?

Der Winter ist eingekehrt, die erste Schneelage schon wieder vorbei, und die Vögel sind auf der Suche nach Futter. Brauchen sie dazu wirklich die Unterstützung des Menschen oder kommen sie auch ohne Hilfe aus? Christian Beerli, Präsident Natur und Vogelschutzverein Frauenfeld, klärt auf.

Felicitas Markoff
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Im Winter kann sich die Futtersuche bei viel Schnee zwar schwierig gestalten. Aber brauchen sie die Unterstützung der Menschen wirklich?

Im Winter kann sich die Futtersuche bei viel Schnee zwar schwierig gestalten. Aber brauchen sie die Unterstützung der Menschen wirklich?

Bild: Burkhardt Marcel

Rund ums Thema Vögel füttern im Winter scheiden sich die Geister: Für die einen ist es völliger Humbug und für die anderen dringend notwendig. Was stimmt den jetzt? Und wie sieht das ein Experte? Christian Beerli, Präsident Natur und Vogelschutzverein Frauenfeld (NVVF), weiss Bescheid und beantwortet die wichtigsten Fragen.

Nicht nötig, aber nicht schädlich

Christian Beerli, Präsident Natur und Vogelschutzverein Frauenfeld.

Christian Beerli, Präsident Natur und Vogelschutzverein Frauenfeld.

Bild: Felicitas Markoff

«Rein wissenschaftlich gesehen, ist es nicht nötig, die Vögel im Winter zu füttern», sagt Beerli. Aber so einfach ist es dann doch nicht. Aus Sicht des Naturschutzes sei das Füttern nämlich trotzdem sinnvoll – nämlich dann, wenn man damit Personen für die Vogelwelt begeistern kann. Beerli sagt:

«Wer die Vögel korrekt füttert und Freude am Beobachten hat, darf dies gerne tun.»

Damit die Fütterung artgerecht vonstattengeht, müssen zuerst einige Verhaltensregeln eingehalten werden. «Es ist wichtig, dass man die Vogelarten beim Füttern berücksichtigt», erklärt Beerli. Wenn Meisen oft im Garten auftauchen, eignen sich die klassischen Meisenknödel oder das Kornfutter.

Die Meisenknödel sind aber auch für andere Vogelarten geeignet wie zum Beispiel den Feldsperling. Loses Kornfutter in einem Futterhäuschen eignet sich für Finken, Kleiber und Rotkehlchen. Amsel, Star oder das Rotkehlchen essen gerne Früchte wie Äpfel und Rosinen, sie mögen aber auch Haferflocken und zerkleinerte Baum- und Haselnüsse.

Irrglaube – Vögel brauchen mehr Futter nach Brutzeit

Wie beim Menschen soll auch bei den Vögeln darauf geachtet werden, dass das Futter einheimisch ist. Die Futterstelle sollte zudem so gelegen sein, dass sie nicht nass werden kann. Und wer Katzen zu Hause oder in der Nachbarschaft hat, sollte darauf achten, dass die Futterstelle nicht so platziert ist, dass die Vögel von den Katzen gejagt und erlegt werden können. Beerli sagt:

«In der Schweiz gibt es etwa 1,8 Millionen Katzen. Sie sind sehr flinke und geschickte Jäger. Nach Schätzungen des Bundes kommen pro Jahr bis zu 30 Millionen Vögel durch Katzen zum Tode.»

Auch rund um die Brutzeit im Frühjahr gibt es hartnäckige Mythen. Wie zum Beispiel, dass die Eltern so viel Energie für die Futtersuche verbrauchen, dass sie zusätzlich von Menschen gefüttert werden müssen. Beerli erklärt, dass alle Vogelarten ihre Jungen mit Insekten füttern. Und da die Insekten ihnen ohnehin schon genug Energie liefern, brauchen die Vogeleltern keine weitere Nahrung. Darum ist es ein Irrglaube, dass Vögel genau in dieser Zeit besonders viel gefüttert werden müssen.

Vögel benötigen am Morgen am meisten Nahrung

Auch eine Futterstelle direkt vor dem Fenster zu platzieren, ist suboptimal, da die Gefahr besteht, dass die Vögel ins Fenster fliegen und sich dabei verletzten. Und wer bereits mit dem Füttern angefangen hat, sollte Folgendes beachten:

«Vögel sind wie wir Menschen Gewohnheitstiere. Darum ist es auch wichtig, nicht plötzlich damit aufzuhören.»

Auch der Zeitpunkt der Fütterung spielt eine Rolle. Am Morgen benötigen die Vögel am meisten Nahrung. Danach am Mittag und für den Rest des Tages reichen sporadische Abstecher zur Futterquelle. Beerli sagt: «Das sieben Zentimeter grosse Wintergoldhähnchen zum Beispiel muss pro Tag genauso viel fressen, wie es wiegt.»

Das Wintergoldhähnchen muss an einem Tag genauso viel fressen, wie es schwer ist.

Das Wintergoldhähnchen muss an einem Tag genauso viel fressen, wie es schwer ist.

Bild: Fredy Buchmann

Vogelgrippe ist dieses Jahr wieder ein grosses Thema

Christian Beerli im Botanischen Garten in Frauenfeld.

Christian Beerli im Botanischen Garten in Frauenfeld.

Bild: Felicitas Markoff

«Was neben dem Futter oft vergessen wird, ist eine Wasserstelle einzurichten», sagt Beerli. Gerade bei trockenem Kornfutter haben die Vögel Durst. Bei der Wasserstelle müsse man darauf achten, dass die Vögel möglichst unkompliziert rein und raus fliegen können. Beerli fügt hinzu:

«Die Futterstelle sollte alle drei bis vier Tage gründlich gereinigt werden. Ansonsten ist sie der Nährboden für verschiedene Krankheiten, wie zum Beispiel für die Salmonellose, eine tödliche bakterielle Darminfektion.»

Auch die Vogelgrippe sei in diesem Jahr wieder ein grosses Thema. Sie könne auch bei der Futterstelle übertragen werden, wobei das wissenschaftlich bisher nicht bestätigt wurde. Robert Hess, Amtsleiter Veterinäramt Kanton Thurgau, sagt auf Anfrage:

«Diesen Herbst ist es im Kanton Thurgau bislang zu zwei Fällen von Vogelgrippe bei Wildvögeln gekommen.»

Die aktuell in der Schweiz auftretenden Virusvarianten seien nach derzeitigem Kenntnisstand für den Menschen ungefährlich. Da es – wenn überhaupt – nur bei sehr intensivem Kontakt zwischen Menschen und Tieren zu einer Übertragung kommen könne.

Mit Nistkästen können Vögel über das ganze Jahr unterstützt werden.

Mit Nistkästen können Vögel über das ganze Jahr unterstützt werden.

Bild: Hanspeter Schiess

Mit Nistkästen Vögel unterstützen

Es gibt aber auch Vögel, die sich nicht nur von Körnern, Früchten, Insekten & Co ernähren, sondern von ihresgleichen. Der Sperber ist etwa so einer. Auf seiner Speisekarte stehen unter anderem die Amsel und die Meise.

Abgesehen von der Fütterung was kann die Bevölkerung sonst noch tun, um die Vogelwelt nachhaltig zu unterstützen? Beerli sagt:

«Wer darauf achtet, möglichst einheimische Pflanzen und Sträucher im Garten zu beherbergen, hilft damit auch den Vögeln. Denn jede Pflanzenart kann für sie eine potenzielle Futterquelle sein.»

Für die Vögel sei es gerade im Winter wichtig, wenn die Pflanzen nicht gleich abgeschnitten und gestutzt werden. «Gerade grosse und alte Bäume sind für die Natur und Vogelwelt besonders wertvoll», sagt Beerli. Deshalb sei es wichtig, sie möglichst lange zu pflegen. Der Buntspecht richtet sich dort etwa gerne ein Zuhause ein. Zusätzlich könne man auch punktuell mit Nistkästen arbeiten. Wie sieht die Situation mit den Vögeln zu anderen Jahreszeiten aus?

«Eine Wasserstelle reicht für den Rest des Jahres aus. Vor allem im Sommer nehmen die Vögel auch gerne ein kühles und erfrischendes Bad.»

Wer sich für dieses Thema interessiert, kann sich unter: www.birdlife.ch oder an www.nvvfrauenfeld.ch und vogelwarte.ch informieren.