Frauen, die sich in der Öffentlichkeit exponieren, müssen oft hasserfüllte Kommentare in den sozialen Medien, auch «Hatespeech» (zu Deutsch: Hassrede) genannt, ertragen. Das ist nicht nur für sie ein Problem, sondern auch für unsere Demokratie.
Allzu oft müssen Frauen, die in der Öffentlichkeit stehen – dies gilt in besonderem Masse für Politikerinnen – hasserfüllte Kommentare ertragen, vorwiegend in den sozialen Medien. Dabei handelt es sich nicht einfach ‹nur› um geschmacklose Sprüche oder zotige Ausdrücke, sondern um Herabsetzungen und Anfeindungen der übelsten Sorte bis hin zu Morddrohungen.
Einige Betroffene haben ihre eigenen Strategien dagegen entwickelt, indem sie beispielsweise die Kommentare zu ignorieren versuchen oder diese wiederum selbst öffentlich machen. Andere hingegen ziehen sich aus der Öffentlichkeit zurück, um sich den stetigen Herabsetzungen, Demütigungen und Drohungen zu entziehen.
Welche Strategie auch gewählt wird, das eigentliche gesellschaftliche Problem mit Hassrede ist, dass die Betroffenen allein gelassen werden. Zwar gibt es immer wieder aufkeimende Diskussionen um Hatespeech, doch ein tiefgründiger Diskurs in Gesellschaft und Politik bleibt aus. All die interdisziplinäre Forschung zu diesem Thema erreicht nur ansatzweise die Öffentlichkeit, und Gegenstrategien werden oft nur kurz erwähnt.
Doch Hasskommentare gegen Frauen schädigen nicht nur diese, indem sie sie demütigen, verletzen und ihnen Angst machen können, sondern uns alle. Eine lebendige Demokratie ist darauf angewiesen, dass alle (!) aus der Bürgerschaft zu Wort kommen können, insbesondere auch diejenigen, die sehr lange Zeit krass untervertreten gewesen sind. Der freie öffentliche Diskurs funktioniert nur ohne Einschüchterung.
Nun mag sich mancher fragen, ob ich jetzt nicht übertreibe. Ein paar Ewiggestrige gäbe es schliesslich immer und von denen dürfe man sich nicht bange machen lassen. Eine solche Reaktion verharmlost das Problem. Zum einen ist das Ausmass von Hasskommentaren, das einige Politikerinnen ertragen müssen, schlichtweg erschreckend. Zum anderen wird mit einer solchen Reaktion nahegelegt, dass es den Betroffenen an ‹dickem Fell› für die Politik fehle.
Bei Hatespeech geht es aber eben nicht um harte themenbezogene Kritik und ein paar geschmacklose Bemerkungen, sondern um strukturelle verbale Angriffe auf Frauen, die sich politisch betätigen – mit dem Ziel, sie zu verunsichern und letztlich zum Schweigen zu bringen. Die Absender dieser hasserfüllten Nachrichten sprechen diesen Politikerinnen das Recht auf Mitbestimmung, auf Mitgestaltung unseres Gemeinwesens ab.
In der Philosophie wird diese Strategie des ‹Zum-Schweigen-Bringens› (auf Englisch: Silencing) gerade intensiv diskutiert. Dies geschieht vor allem im Kontext der Debatte über die sogenannte epistemische, also erkenntnistheoretische Ungerechtigkeit, die Formen von Ungerechtigkeit im Hinblick auf Fragen des Wissens, des Verstehens und der Kommunikation thematisiert, wie zum Beispiel «Wem wird Glauben geschenkt?» und eben auch «Wie werden Personen zum Schweigen gebracht?».
Wenn nun mittels Hassrede bestimmte Politikerinnen zum Schweigen gebracht werden sollen, dann handelt es sich um einen Akt einer solchen epistemischen Ungerechtigkeit. Hatespeech ist also ein Problem auf mehreren Ebenen: In ethischer Hinsicht ist die Herabsetzung der Betroffenen inakzeptabel; in erkenntnistheoretischer Hinsicht mindert das Zum-Schweigen-Bringen die Qualität und Fairness der Diskurse und in politischer Hinsicht verstösst Hassrede gegen die demokratische Notwendigkeit eines freien Diskurses unter Gleichen.
Vielstimmigkeit ist zentral für eine Demokratie. Es gilt sie zu schützen und sich für sie einzusetzen wie auch für diejenigen, denen die Stimme abgesprochen wird.
Magdalena Hoffmann ist Studienleiterin der CAS-Weiterbildung «Diskurskompetenzen für Führungskräfte» an der Universität Luzern.