30 Jahre Frauenstreik
Auch Urnerinnen sollen am Montag streiken

Das Frauenstreik Kollektiv Uri lädt alle Urnerinnen dazu ein, am 14. Juni ihre Arbeit niederzulegen oder einen Zacken langsamer zu arbeiten. Das soll an den ersten Frauenstreik erinnern, der sich zum 30. Mal jährt.

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Frauenstreik in Altdorf. Die Frauen machten im vergangenen Jahr lautstark auf ihre Forderungen aufmerksam.

Frauenstreik in Altdorf. Die Frauen machten im vergangenen Jahr lautstark auf ihre Forderungen aufmerksam.

Bild: Urs Hanhart (Altdorf, 14. Juni 2020)

(MZ) «Wenn Frau will, steht alles still!» Unter diesem Motto beteiligten sich am 14. Juni 1991 Hundertausende Frauen in der ganzen Schweiz an Protest- und Streikaktionen. Anlass war das zehnjährige Jubiläum der Verankerung des Gleichstellungsartikels in der Bundesverfassung. Der Schweizerische Gewerkschaftsbund rief zu Protesten gegen die zögerliche Umsetzung des Verfassungsartikels und die anhaltenden Ungleichheiten in zahlreichen Bereichen der Gesellschaft, Wirtschaft und Politik auf. Die meisten Frauenorganisationen des Landes schlossen sich dem Aufruf an. Die Kommission für die Gleichstellung von Frau und Mann im Kanton Uri blickt in einer Medienmitteilung auf das Thema «Frauenstreik gestern und heute».

Und was geschah im Kanton Uri? Maya Lorenzoni und Li Aschwanden-Marti waren im 1991 im Organisationskomitee dabei und erinnern sich. «Auf dem Altdorfer Lehnplatz wurde Kaffee ausgeschenkt und wir führten sehr gute Gespräche mit den Frauen, die Einkaufen gingen», erzählt Li Aschwanden-Marti. Die eigentliche Urner Frauenstreikgruppe, welche hauptsächlich aus Gewerkschaftsfrauen und SP Frauen bestand, sei überschaubar gewesen. Zwar hätte die grosse Mehrheit der Urnerinnen, mit welchen die Gespräche stattfanden, die Forderungen des Frauenstreiks geteilt, aber Streiken wäre dann doch zu viel der Exponiertheit gewesen. Gestreikt wurde nicht nur auf dem Lehnplatz. «An diesem Tag gab es in vielen Urner Haushalten nichts Warmes zum Mittagessen. Wenn auch das Streiken nicht Sache jeder Frau war, so fanden diese doch ihren eigenen Weg, sich für die Forderungen des Frauenstreiks einzusetzen», meint Maya Lorenzoni.

Bewegung ist im Gang, aber noch nicht am Ziel

Die Forderungen des Frauenstreiks stehen noch heute, heisst es in der Medienmitteilung. Das sieht neben den Organisatorinnen des 1991er Frauenstreiks auch Franziska Furrer vom heutigen Frauenstreik Kollektiv Uri so. «In vielen Bereichen hat sich etwas bewegt, am Ziel angekommen sind wir noch nicht», wird sie in der Mitteilung zitiert. Immer noch würden beispielsweise Lohnungleichheiten bestehen, Betreuungs- und Erziehungsarbeit werde als selbstverständliche Aufgabe der Frauen angesehen und nach der Familiengründung verzichte in der Regel die Mutter auf eine Vollzeit-Erwerbstätigkeit und eine berufliche Karriere. Aufgrund dieser Faktoren könnten Frauen meist weniger Altersvorsorgekapital aufbauen. «Und dies, obwohl diese Frauen ein ganzes Leben lang viel gearbeitet haben», so Franziska Furrer.

Es braucht noch mehr strukturelle Anpassungen

Auch im Kanton Uri wurden strukturelle Hilfestellungen geschaffen, wie beispielsweise Lohnüberprüfungen bei der kantonalen Verwaltung, die Schlichtungsstelle nach dem Gleichstellungsgesetz oder Kinderbetreuungsangebote. Diese strukturellen Anpassungen seien wichtig und es brauche noch mehr davon, heisst es in der Mitteilung. «Viele Frauen sind heute gut ausgebildet. Doch nach der Familiengründung geht dieses berufliche Potenzial verloren», weiss Li Aschwanden-Marti. Die alten Rollenbilder wirken im Kanton Uri noch immer stark. Wohin soll es gehen? «Lebens- und Familienmodell frei wählen können, ohne auf gesellschaftliche oder strukturelle Widerstände zu stossen», ist der Wunsch von Franziska Furrer. Ähnlich klingt es auch bei Maya Lorenzoni und Li Aschwanden-Marti. Sie wünschen sich, dass «die Jungen dran bleiben, sich für ein gleichberechtigtes Leben einzusetzen».

Die Forderungen sichtbar machen

«Heute hat wohl jede begriffen, welche Arbeiten systemrelevant sind und dass ein grosser Teil davon von Frauen gemacht wird», so Franziska Furrer. Es wurde auch erkannt, dass diese Arbeiten schlecht oder gar nicht bezahlt werden. 30 Jahre nach dem ersten Frauenstreik, 40 Jahre nach der verfassungsrechtlichen Verankerung der Gleichstellung und 50 Jahre nach der Einführung des Frauenstimmrechts brauche es immer noch Frauen und Männer, welche die Forderungen sichtbar machen. Das Frauenstreik Kollektiv Uri lädt alle Urnerinnen dazu ein, am 14. Juni 2021 Zuhause oder an der Arbeit zu streiken, einen Zacken langsamer zu arbeiten und die Farbe Lila zu tragen oder gut sichtbar aufzuhängen. Auch gleichgesinnte Männer seien dazu eingeladen, heisst es in der Mitteilung.