Bürglen
Tell-Museum bringt Nachfahren zusammen

Im Tell-Museum in Bürglen stand für einmal nicht der berühmteste Einheimische im Zentrum. Es drehte sich (fast) alles um Ernst Stückelberg und einen Bisisthaler Bergbauern.

Bruno Arnold
Drucken
Von links: Martin E. Veillon, der Urenkel von Ernst Stückelberg, Buchautorin Rose Marie Schulz-Rehberg und Sandro Christen, Mitglied des Tell-Museumsrats.

Von links: Martin E. Veillon, der Urenkel von Ernst Stückelberg, Buchautorin Rose Marie Schulz-Rehberg und Sandro Christen, Mitglied des Tell-Museumsrats.

Bild: Bruno Arnold (Bürglen, 13. 5. 2023)

Das Tell-Museum im Bürgler Wattigwilerturm beherbergt die umfassendste Sammlung von Dokumenten, Darstellungen und Gegenständen historischer, künstlerischer und originellster Art aus sechs Jahrhunderten über den Schweizer Freiheits- und Nationalhelden Wilhelm Tell. Zum Besitz der Tell-Museumsgesellschaft gehören aber auch sechzehn archivierte Bilder des Malers Ernst Stückelberg. Weitere neun Werke des Basler Künstlers sind derzeit als Leihgaben der Eidgenossenschaft im Tell-Museum ausgestellt.

Am Samstag, 13. Mai, wurde die Saison 2023 des Tell-Museums offiziell eröffnet. Dabei stand für einmal nicht der berühmteste Bürgler selber im Zentrum. Diesmal drehte sich (fast) alles um Ernst Stückelberg.

Authentische Charakteren in Fresken

Die Basler Kunsthistorikerin Dr. Rose Marie Schulz-Rehberg stellte den Gästen ihr vor wenigen Tagen erschienenes Buch «Der Basler Maler Ernst Stückelberg 1831–1903. Leben und Werk» vor. Hierzulande kennt man diesen Künstler vor allem wegen der von ihm geschaffenen Wandbilder in der 1883 eingeweihten Kapelle an der Tellsplatte in Sisikon, die vier Schlüsselszenen aus dem Schweizer Gründungsmythos zeigen: Rütlischwur, Tells Apfelschuss, Tells Sprung und Gesslers Tod.

«Um die Atmosphäre des Ortes aufzunehmen und authentische Charaktere in seine Fresken einzubeziehen», lebte Stückelberg ab 1878 mit seiner ganzen Familie in Bürglen. Einen Grossteil seiner Modelle fand er gemäss Schulz-Rehberg bei «Castings», die in der Bürgler Pfarrkirche stattfanden. Einige der gesuchten Charakterköpfe dürfte der Basler Künstler aber auch unter den Besuchern des «Ürner Märchts» in Altdorf entdeckt haben. So beispielsweise Martin Gwerder (1831–1887). Im Tell-Museum ist die Skizze eines Porträts des Bisisthaler Bergbauern («Schmallaui Märtel») ausgestellt, den Stückelberg auf dem Rütlischwur-Bild als Werner Stauffacher verewigt hat.

Stelldichein der Nachfahren ermöglicht

Sandro Christen, Mitglied des Museumsrats, freute sich, zur Saisoneröffnung Nachfahren von Stückelberg und Gwerder zusammenführen zu dürfen. Es war dies einerseits Martin E. Veillon aus Weggis, ein Urenkel des Basler Künstlers. Anderseits fanden sich im Tellendorf aber auch acht Nachfahren des porträtierten Bergbauern ein, und zwar aus der vierten und fünften Generation.

Nachkommen der vierten und fünften Generation vor dem von Ernst Stückelberg gemalten Porträt ihres Vorfahren Martin Gwerder.

Nachkommen der vierten und fünften Generation vor dem von Ernst Stückelberg gemalten Porträt ihres Vorfahren Martin Gwerder.

Bild: Bruno Arnold (Bürglen, 13. 5. 2023)

«Wilhelm Tell ist wohl der bekannteste Urner – dicht gefolgt von Bernhard Russi», meinte der Urner Bildungs- und Kulturdirektor Beat Jörg in seiner Begrüssungsansprache. «Es ist erstaunlich, mit welcher Hartnäckigkeit sich die Geschichte des Schweizer Freiheitskämpfers im Laufe der Jahrhunderte gehalten hat.» Dass Tell hier in Bürglen gleich ein ganzes Museum für sich beanspruchen könne, zeige seine Bedeutung für Bürglen, den Kanton Uri und die Schweiz. Noch erstaunlicher sei aber, dass sich dessen Geschichte so lange gehalten habe, obwohl es Wilhelm Tell – historisch gesehen (und im Gegensatz zu Bernhard Russi) – gar nicht gegeben habe.

Kissling, Hodler und Stückelberg

«Der Schlüssel zur Tradierung der Geschichte von Wilhelm Tell liegt zum einen in der Geschichte selber mit ihren Themen Freiheit, Vergeltung, Naturrecht, Widerstand und Nationalstolz», hielt Jörg weiter fest. Nur wenige hätten es geschafft, das Bild von Tell für die Nachwelt zu prägen.

Neben Richard Kissling mit seinem Telldenkmal in Altdorf und Ferdinand Hodler mit dem Tell-Ölgemälde sei dies eben auch Ernst Stückelberg mit seinen Wandbildern in der Kapelle an der Tellsplatte gelungen. «Stückelbergs Fresken vermitteln ein Gefühl der Echtheit, des Zusammenstehens und des grossen Stolzes auf die Gründungsgeschichte der Schweiz, auch wenn wir es heute historisch besser wissen», erklärte Jörg.

Hinweis

Das Tell-Museum in Bürglen ist bis Mitte Oktober jeweils von Dienstag bis Sonntag geöffnet, und zwar im Mai, Juni, September und Oktober von 10 bis 11.30 sowie von 13.30 bis 17 Uhr. Im Juli und August kann das Museum von Dienstag bis Sonntag jeweils durchgehend von 10 bis 17 Uhr besucht werden. Im Winterhalbjahr wird das Tell-Museum auf Anfrage für Gruppen ab zehn Personen geöffnet.