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Mit dem neuen Fahrplan ist das Kundenbegleitdepot geschlossen worden. Die 13 Mitarbeiter mussten sich einen neuen Arbeitsort suchen.
Das Kundenbegleitdepot in Erstfeld ist Geschichte. 13 Mitarbeiter haben dort ihre Stelle verloren und müssen nun einen längeren Arbeitsweg zu ihren neuen Dienstorten in Bellinzona, Luzern oder Zürich in Kauf nehmen. Vor einem halben Jahrhundert waren noch rund 70 Kondukteure und Zugführer im Eisenbahnerdorf tätig.
Der Erstfelder Gemeinderat und die Urner Regierung wehrten sich gegen diesen Abbau – standen aber auf verlorenem Posten, denn sie hatten keinen direkten Einfluss, um den Stellenabbau zu verhindern. In einer früheren Medienmitteilung schrieben die betroffenen Mitarbeiter: «Die SBB hätten immer wieder versprochen, dass der Zugpersonalstandort Erstfeld bis mindestens 2025 erhalten bleibe. Aufgrund dessen hätten sich einige Mitarbeiter entschlossen, in den Kanton Uri zu ziehen und gar Eigentumswohnungen zu kaufen.»
Fast keiner der betroffenen Kundenbegleiter war bereit, sich zur Situation zu äussern. «Wir haben schon genug Ärger mit der Schliessung des Depots hinter uns und möchten nicht das ganze Theater wieder neu auffrischen.»
«Anfänglich war die Situation um die Auflösung des Depots schlimm», sagt hingegen der 53-jährige Zugbegleiter Alexander Küttel aus Altdorf. «Wir waren in Erstfeld ein sehr kollegiales Team, das mit der Schliessung auseinandergerissen wurde.» Ein Wegzug aus Uri kommt für ihn nicht in Frage, denn er besitzt hier Wohneigentum. Nun gibt es aber offenbar ein «Weihnachtsgeschenk» von der Südostbahn (SOB). «Die SOB und die SBB haben in Erstfeld einen Produktionspool gegründet. Künftige natürliche Abgänge von SBB-Mitarbeitenden werden durch Neuanstellungen bei der SOB ersetzt, bis die Anzahl an SOB-Mitarbeitenden im Produktionspool dem Personalbedarf zur Deckung unserer Leistungen entspricht», schreibt das Unternehmen auf Anfrage.
Bis in die 1980er-Jahre wurden die SBB-Güterzüge über die Gotthardbergstrecke von einem Zugführer begleitet. «Dieser Bedienstete sass im ‹Sputnik› – so wurde der Zugbegleitwagen ganz am Schluss des Güterzuges genannt», erinnert sich der 71-jährige ehemalige Zugführer Alfred Hertig aus Erstfeld. «Weil die Zugbegleitwagen zur gleichen Zeit auftauchten wie der russische Satellit Sputnik, erhielten die Dienstwagen diesen Übernahmen. Spezielle Erker erlaubten uns die Beobachtung der Güterwagen vor uns während der Fahrt. Wegen des kurzen Achsabstandes von nur fünf Metern und einer Gesamtlänge von knapp über neun Metern sind wir in diesem Begleitwagen regelrecht durchgeschüttelt worden», schildert Hertig.
«Mein Traum war es immer, Bähnler zu werden, denn ich interessierte mich als junger Bursche schon für die Eisenbahn», so Hertig. Im Jahr 1969 kam der junge Emmentaler nach Erstfeld und begann dort die Ausbildung zum Kondukteur. Zuvor absolvierte er im Welschland und im Tessin Sprachaufenthalte und lernte dort Französisch und Italienisch. Nach 14 Jahren als Kondukteur hatte er die Möglichkeit, sich als Zugführer zu bewerben.
«Ich hatte immer Freude an meiner Arbeit, denn ich habe dabei viele Menschen kennen gelernt und bin auf der Fahrt im Zug in der ganzen Schweiz herumgekommen», so Hertig. Auf seinen Touren war er noch nicht mit dem modernen Zugpersonalgerät unterwegs, sondern mit der roten Umhängetasche und der Billettzange, mit welcher er mit einem Loch Billette entwertete. «Auf meinen unzähligen Touren habe ich selten Konflikte erlebt – und wenn, dann versuchte ich sie einvernehmlich zu lösen.»
Für Hertig hatte der unregelmässige Dienst nicht nur Nachteile: Er freute sich über die vielen Nachmittage und Wochenenden, an denen er frei hatte. Kurz vor seiner Pensionierung musste er dann erstmals eine Rangier- und Fahrdienstprüfung ablegen. «Diese Prüfung verlangte mir Einiges ab. Ich lernte rund drei Monate dafür. Schliesslich war ich froh, dass ich diese Hürde doch noch mit Bravour bestanden habe.»
«Ich hatte auch das Glück, dass ich meinen Dienstort nie wechseln musste. Es gingen damals schon Gerüchte über eine Schliessung des Zugführerdepots um», erinnert sich Hertig. Der ständige Arbeitsplatzabbau und die häufigen Reorganisationen der SBB hätten ihm in den vergangenen Jahren aber immer mehr zugesetzt. «Und so war ich dankbar, dass ich nach 43 Jahren im Oktober 2010 gesund in die Pension gehen konnte.»