Es harzt in der Urner Waldwirtschaft

Holz war einst eine wichtige Einnahmequelle, auch im Kanton Uri. Trotzdem war, ist und bleibt Uri ein Sonderfall.

Christian Tschümperlin
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Toni Walker im Film «Wenn's chrooset und rumplet» aus dem Jahr 2012. Bild: PD (2. Februar 2012)

Toni Walker im Film «Wenn's chrooset und rumplet» aus dem Jahr 2012. Bild: PD (2. Februar 2012)

In früheren Zeiten bestritten etliche Gemeinden in der Schweiz ihre Ausgaben mit dem Verkauf von Holz aus ihren Wäldern, schreibt Holzenergie Schweiz in einer Pressemitteilung. Sie konnten auf das Eintreiben von Gemeindesteuern verzichten. Auch im Kanton Uri gab es Fälle, in denen die Korporation Uri den Gemeinden finanziell unter die Arme griff. So ist in einer Waldabrechnung für die Gemeinde Bauen vom 17. Februar 1923 zu lesen:

  • «Schuldlast vom Schulhausbau, die durch die Korporation Uri zu decken ist (3826.56 Franken)»;
  • «Schuldlast für die Friedhofbauten, die durch die Korporation Uri zu decken ist (300 Franken)»;
  • «Schuldlast für die Kirchenorgel, die durch die Korporation Uri zu decken ist (875.20 Franken)».

Finanzielles Engagement hat zugenommen

Allerdings handelte es sich dabei wohl eher um Einzelfälle. Diese Meinung vertritt Toni Walker, einer der Macher des Holzfäller-Films «Wenn’s chroset und rumplet». «Das Nutzungsrecht für die Wälder liegt in den Händen der Korporationsbürgergemeinden. Der Korporation gehörten lange bloss die Böden von Wäldern und Alpen. Dies war ihre einzige Einnahmequelle», sagt Walker. Entsprechend hätten die Korporationen nicht so viel Geld gehabt wie heute. Walker glaubt deshalb, dass das finanzielle Engagement der Korporationen eher zu- als abgenommen hat. Denn diese sind heute durch verschiedene Konzessionsverträge an Kraftwerken und am Steinabbau beteiligt. «Das bringt wichtige Einnahmen», betont er. Deshalb sei es heute üblich, dass die Korporation bei Kirchenrennovationen oder Umbauten von Altersheimen, Land- und Alpwirtschaft, sowie Wald- und Erschliessungsstrassen Gelder sprechen.

Die Holzpreise sind 
seit Jahren im Sinkflug

Die Diversifikation macht Sinn: Denn die Holzpreise sind über die Jahre gepurzelt. Mit einem Kubikmeter Holz erzielte man um 1929 durchschnittliche Einnahmen von zirka 45 Franken, wie aus einer Bachelorarbeit eines Absolventen der Fachhochschule Nordwestschweiz hervorgeht. Dies waren im Vergleich zur Kaufkraft stolze Beträge, hat doch ein Waldarbeiter damals etwa 4 Franken pro Tag verdient. «Der Erlös aus dem Verkauf eines einzigen schönen Baumstamms reichte für zwei bis drei Wochenlöhne eines Waldarbeiters. Heute kann man mit demselben Stamm gerade noch einen bis drei Stundenlöhne bezahlen», heisst es bei Holzenergie Schweiz.

Darum gibt es heute von Bund und Kantonen forstliche Beiträge für die Waldbewirtschaftung. Roland Wüthrich vom Amt für Forst und Jagd erklärt dies wie folgt:

«Es geht darum, dass die Schutzfunktion des Waldes sichergestellt wird. Früher war es rentabel, das Holz zu nutzen, darum hat man Bäume rausgenommen und den Wald gepflegt.»

Und weiter meint der Fachmann: Da sich das Holzen heute finanziell meist nicht mehr lohnt, müssen wir schauen, dass wir die wichtigsten Massnahmen aufrechterhalten», führt er aus. Deshalb werden im Kanton Uri jährlich rund 3 Millionen Franken Beiträge in die Schutzwaldpflege investiert.

Auch versicherungstechnisch haben sich die Zeiten gewandelt. Ab 1920 tauchen die ersten Unfallversicherungen für Bannwarte in den Gemeinderechnungen auf. In der Waldabrechnung der Gemeinde Unterschächen von 1921 werden die Versicherungskosten mit 20 Franken pro Jahr veranschlagt. Das war damals noch ein Luxus. «Wenn die Bauern im Winter nichts zu tun hatten, gingen sie oft holzen. Mein Vater hatte nie eine Unfallversicherung», erinnert sich Walker.

Die Sorgen von damals
 sind heute dieselben

Erhellend ist auch ein Blick auf die Sorgen in der Politik von damals. Schon im Mai 1918 war die zunehmende Bürokratie ein Thema. Und der Trend der zunehmenden Vereinheitlichung setzte schon damals ein: Die Standeskanzlei Uri schrieb im Auftrag des Regierungsrates an das Kantonsforstamt: «Seit einer Reihe von Jahren verlangt der Bund durch sein Oberforstinspektorat eine immer eingehendere Berichterstattung über das Forstwesen der Kantone, und zwar nicht nur über die Quantitäten des geschlagenen oder durch Naturereignisse dem Walde entnommenen Holzes, die Ausdehnung der Kulturen, Entwässerungen und Verbauungen aller Art, sondern auch bis in die Details hinein über die Einnahmen und Ausgaben der Waldwirtschaft, und zwar getrennt nach einer ganzen Anzahl von Positionen.» Walker sagte deshalb schon vor 40 Jahren einem Regierungsrat:

«Wir sollten weniger Häuptlinge und mehr Indianer haben.»

Auch die Qualitätskontrollen wurden schon damals grossgeschrieben. Dabei wurde auf jede Kleinigkeit geachtet. So hat Gemeindeschreiber J. Gehrig aus Wassen am 10. April 1923 die Korporation auf einen Additionsfehler von 60 Rappen hingewiesen. «In einer Rechnung für einen Waldweg hiess es nie, der kostet 1000 Franken, sondern beispielsweise 1005.08 Franken», kommentiert Walker. Die Sorgen der Leute haben sich also nicht gross verändert. Trotzdem haben sich die Menschen angepasst und neue Wege beschritten. So schlägt Holzenergie Schweiz beispielsweise vor, von Bauholz auf Brennholz umzusteigen. Denn: «Natürlich ist es sinnvoll, ein Haus aus Holz zu bauen. Einmal gebaut, schafft dieses Haus aber keine zusätzliche Nachfrage nach Holz.» Könnte dies eine Option sein für den Kanton Uri?

Die Zukunft hat im Kanton Uri bereits begonnen

Rolf Infanger, Präsident und Waldchef der Korporation Uri, sagt dazu: «Im Mittelland gibt es noch viele Betriebe, die auf Bauholz ausgerichtet sind. Der Kanton Uri kennt das weniger.» Denn der meiste Wald sei ja Schutzwald, wie dies in den Bannwaldbriefen von Flüelen (1382) und von Andermatt (1397) festgehalten ist. Er schützt die Dörfer, Hauptverkehrsadern wie Autobahnen, Bahnlinien und Überlandleitungen vor Lawinen oder Erdrutschen. «Wir pflegen den Wald heute deshalb eher, als dass wir ihn für die Holznutzung brauchen.» Das Holz, das geschlagen wird, geht zum grossen Teil in die Schnitzelheizungen der Öko Energie AG, wo es verbrannt und zur Beheizung der Häuser verwendet wird. Das Werk in Schattdorf beheizt etwa die Dätwyler AG und dasjenige in Göschenen unter anderem das Sawiris-Ferienresort in Andermatt. «Insofern haben wir in Uri bereits, was von Holzenergie Schweiz als Zukunftsmodell vorgeschlagen wird», so Infanger.

Im historischen Museum Uri findet vom 17. August bis zum 13. Oktober eine Ausstellung zur Geschichte des Holzens statt.