Flavio Gisler: «Stadt-Land-Graben wird entscheiden»

Der Nationalrat und der Ständerat haben sich für die Urner Standesinitiative ausgesprochen: Die Kantone sollen freie Hand haben, wie sie ihre Behörden wählen. Mitinitiant Flavio Gisler (CVP, Schattdorf) sagt, was die Gründe dafür sein könnten.

Interview Florian Arnold
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CVP-Landrat Flavio Gisler war beteiligt bei der Einreichung der Urner Standesinitiative. (Bild: PD)

CVP-Landrat Flavio Gisler war beteiligt bei der Einreichung der Urner Standesinitiative. (Bild: PD)

Flavio Gisler, auch der Nationalrat ist ihrer Standesinitiative gefolgt. Überrascht Sie das?

Nein, denn schon bei der ersten Beratung im Nationalrat lief es gleich ab. Und nochmals hat der Nationalrat entgegen der vorberatenden Kommission entschieden. Der Versuch, die Standesinitiative zu entschärfen, ist gescheitert.

Welche Argumente haben überzeugt?

Die Souveränität der Kantone. Der Nationalrat sieht ein, dass den Kantonen keine Vorschriften gemacht werden sollten, wie sie ihre Wahlkreise definieren.

Wer ist für das Resultat verantwortlich?

Die treibenden Kräfte waren sicher CVP und SVP, aber auch ein schöner Teil der FDP hat die Vorlage unterstützt. Mitinitiant Pascal Blöchlinger und ich hatten mit einzelnen Parlamentariern Kontakt und dabei gemerkt, dass die Problematik den Räten bereits bewusst war und sie vermutlich das Ziel von sich aus verfolgt hätten.

Wie steht es um die Aussichten für eine mögliche Volksabstimmung?

Heute ist das schwierig zu sagen. Mit CVP und SVP würden zwei der grossen Parteien wahrscheinlich die Vorlage im Abstimmungskampf unterstützen. Wir erhoffen uns auch, dass die FDP mitmacht. Es dürfte auf einen Stadt-Land-Graben hinauslaufen. In der Stadt ist man eher für grössere Wahlkreise.

Die Vorlage hebelt das Bundesgericht aus. Wie soll man sich da wehren, wenn man sich in einer Wahl ungerecht behandelt fühlt?

Man kann sich nach wie vor über das Gericht wehren. Die Initiative macht einfach darauf aufmerksam, dass man mit der bisherigen Rechtssprechung nicht zu frieden ist und dies in der Verfassung verankern will. Die Kantone sollen ihre Wahlkreise selber bestimmen können und zwischen Proporz, Majorz oder Mischsystem entscheiden. Es geht nur um das. Es ist legitim, das politisch zu ändern.

Die Schlussabstimmung in den eidgenössischen Räten ist noch nicht unter Dach und Fach. Kann sich noch etwas ändern?

Vielleicht braucht es noch einen gewissen Effort. Denn es ist nicht ausgeschlossen, dass eine Minderheit den Antrag unterstützt hat, weil man glaubt, dass die gröbere Variante vor dem Volk schlechter abschneiden könnte. Ich gehe aber davon aus, dass sich die meisten Befürworter nicht umstimmen lassen.

Der Landrat hat die Entscheidung um das Urner Wahlsystem vertagt, und somit befindet sich Uri im luftleerem Raum. Was heisst der Entscheid des Nationalrats für die Wahlen von 2020?

Ich gehe davon aus, dass der Kanton Uri die momentan eingeschlagene Strategie weiterverfolgt und momentan keine Änderung vornimmt. Wenn das Volk schliesslich Ja sagt zur Vorlage, kann im bisherigen System weitergefahren werden. Wenn das Volk Nein sagt, wird das Bundesgericht hoffentlich das nötige Augenmass und Verständnis für das Handeln des Kantons Uri haben. Dass je einmal rückwirkend eine Wahl für ungültig erklärt worden wäre, ist mir nicht bekannt.