Die Gemeinde Erstfeld und der Urner Gemeindeverband liefern sich wegen einer Stellungnahme einen Disput. Die Erstfelder sprechen von einer Kompetenzüberschreitung.
Der Gemeinderat von Erstfeld ist empört. In einem offenen Brief kritisiert er, dass der Urner Gemeindeverband in einem offiziellen Schreiben den Plan der Regierung rund um die Lucendro-Konzession unterstützt. Nach Ablauf der aktuellen Konzession soll die EWA-energieUri AG selber Strom produzieren, während die Kantonsanteile am Urner Energielieferanten sukzessive erhöht werden sollen.
Wie Gemeindepräsidentin Pia Tresch sagt, stört sich der Gemeinderat von Erstfeld vor allem an der Vorgehensweise des Gemeindeverband und erst in zweiter Linie am Inhalt der Stellungnahme. «Der Gemeindeverband ist das Sprachrohr der Gemeinden und übernimmt Koordinationsaufgaben zwischen Gemeinden und dem Kanton», sagt Pia Tresch. «In den Statuten steht nirgends, dass der Gemeindeverband politische Wertungen abgibt.» Deshalb erachtet der Gemeinderat Erstfeld die Stellungnahme des UGV im vorliegenden Fall, auch wenn es sich dabei «nur um eine Stellungnahme des Vorstands handelt», als klare Kompetenzüberschreitung. Die Stellungnahme sei publiziert worden, ohne vorgängig die Verbandsgemeinden zu konsultieren.
Beim Vorentscheid zum sogenannten Heimfall des Lucendro-Kraftwerks im Jahr 2024 handelt es sich zweifelsohne um eine komplexe Vorlage. «Der Gemeinderat der Energiestadt Erstfeld betrachtet die Vorlage durchaus kritisch und hätte sich erhofft, im Vorfeld einer solchen Stellungnahme angehört zu werden», heisst es im offenen Brief der Gemeinde. Einen Expertenbericht, der vom Landrat in Auftrag gegeben wurde, habe der Gemeindeverband nicht abgewartet. Dieser wurde am selben Tag wie die Stellungnahme der landrätlichen Finanzkommission (Fiko) und Geschäftsprüfungskommission (GPK) zum Studium zugestellt. Gemeindepräsidentin Pia Tresch stellt klar: «Wir sind im Gemeinderat zum jetzigen Zeitpunkt nicht der Meinung der Regierung. Besonders aber möchten wir zuerst alle Fakten auf dem Tisch haben, bevor wir uns eine abschliessende Meinung bilden.» Da es sich um ein Landratsgeschäft handle, könne man als Gemeinde nicht auf eine Vernehmlassung hoffen. Umso mehr Gewicht habe die Aussage des Gemeindeverbands.
Der Gemeinderat Erstfeld erwarte, «dass sich der Gemeindeverband auf seine Aufgaben zurückbesinnt, nämlich die Interessen der Gemeinden im Kanton Uri zu wahren und das politische Handwerk den dafür gewählten Behörden und Parteien zu überlassen», so die klare Forderung. «Stellungnahmen im Namen des Verbandes müssen mit den Verbandsgemeinden abgesprochen sein», heisst es. «Insbesondere wenn es sich um ein Geschäft handelt, zu welchem die Gemeinden gar nichts zu sagen haben, da der Landrat abschliessend zuständig ist. Weshalb der UGV sich da zuständig fühle eine Stellungnahme abgeben zu müssen, ist dem Gemeinderat schleierhaft.»
Der Gemeindeverband lässt die Kritik nicht gelten. Die Interessenvertretung der Gemeinden in Form von Stellungnahmen oder Vernehmlassungsantworten seien eine Hauptaufgabe des Vorstands des Gemeindeverbands, stellt der dreiköpfige Vorstandsausschuss klar. In der Tat nimmt der Urner Gemeindeverband sehr oft Stellung zu Vorlagen und Geschäften. Allein in diesem Jahr erarbeitete der Vorstand sechs Stellungnahmen, etwa zum kantonalen Energiegesetz oder zur neuen interkantonalen Vereinbarung über das öffentliche Beschaffungswesen.
«Es liegt in der Sache der Natur, dass gerade bei brisanten Themen jeweils nicht alle Gemeinden mit der Stellungnahme des UGV-Vorstands einverstanden sind», schreibt der Ausschuss. Uri weise sehr unterschiedliche Gemeinden auf. «Folglich steht es den Gemeinden stets frei, eigene Wertungen und Stellungnahmen – losgelöst von der Haltung des UVG-Vorstands – abzugeben.» Der Ausschuss betont: «Die Gemeinden pflegen diesbezüglich mit dem Vorstand des Urner Gemeindeverbands in der Regel einen offenen und sehr konstruktiven Dialog, bei dem die gegenseitige Wertschätzung sehr zentral ist.»
Der Vorstand des Gemeindeverbands hält die abgegebene Stellungnahme nach wie vor für gerechtfertigt, «da die meisten Gemeinden Aktien der EWA-energieUri AG oder andere Beteiligungen an Energiegesellschaften besitzen». Man habe sich an mehreren Sitzungen mit dem Thema beschäftigt und sich schliesslich für eine Stellungnahme entschieden. Er unterstreicht: «Der Vorstand des Urner Gemeindeverbandes unterstützt die vom Regierungsrat eingeschlagene Grundausrichtung, kritisiert und hinterfragt aber auch verschiedene Punkte.» Die Strategie biete Chancen im Bereich der wirtschaftlichen Wertschöpfung und der Erhaltung der Arbeitsplätze.