Schattdorf
Von berührenden Begegnungen und der Kunst, sich kurz zu fassen: Eine freischaffende Journalistin erzählt

Seit viereinhalb Jahren schreibt Claudia Naujoks regelmässig Artikel für die «Urner Zeitung». Sie verrät, wieso ihr die Arbeit Spass macht, was sie dabei erlebt und was ihr bis heute schwerfällt.

Carmen Epp
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Wenn Claudia Naujoks im Obergeschoss ihres Hauses in Schattdorf sitzt, ist sie in ihrem Element. Am Computer, direkt neben einem Regal voller Bücher, kann sich die 52-Jährige kreativ betätigen. «Ich bin gerne hier oben in meinem Kämmerlein und schreibe», sagt sie.

Claudia Naujoks, freischaffende Mitarbeiterin der «Urner Zeitung», in ihrer liebsten Umgebung, der «Schreibkammer» im Obergeschoss ihres Hauses.

Claudia Naujoks, freischaffende Mitarbeiterin der «Urner Zeitung», in ihrer liebsten Umgebung, der «Schreibkammer» im Obergeschoss ihres Hauses.

Bild: Carmen Epp (Schattdorf, 21. 2. 2023)

Das geschriebene Wort begleitet Claudia Naujoks schon viele Jahre. Nach dem Studium der Germanistik, das sie mit dem Magister abschloss, war sie in ihrer Heimat Deutschland als Lektorin im Verlagswesen tätig. Vor sechs Jahren folgte sie mit den drei gemeinsamen Kindern ihrem Mann, der im Kantonsspital Uri eine Anstellung als OP-Pfleger fand, vom Schwarzwald nach Schattdorf. Und kam daraufhin über mehrere Ecken mit dem Redaktionsleiter der «Urner Zeitung» in Kontakt.

Erster Auftrag blieb in Erinnerung

Seither schreibt Claudia Naujoks als freischaffende Journalistin im Auftrag der Redaktion über verschiedene Personen und Anlässe im Kanton Uri. Und obwohl ihr Name inzwischen schon rund 90-mal in der Autorenzeile in der Zeitung erschienen ist, erinnert sich Claudia Naujoks noch an ihren ersten Artikel im Herbst 2018: ein Porträt über Dan Loutrel.

Claudia Naujoks schildert ihre Erinnerung, als wär’s gestern gewesen: «Ich war ja erst seit kurzer Zeit in der Zentralschweiz und noch überhaupt nicht sattelfest im Schweizerdeutschen. Und sollte Dan aus Boston interviewen, der kein Hochdeutsch sprach, dafür Urnerdeutsch mit amerikanischem Akzent. Mein erster Gedanke war: Oje! Und: Hoffentlich erlaubt er die Tonaufnahme auf dem Handy!» Schnell habe sich aber herausgestellt, dass die Aufregung umsonst war: Ihr Gesprächspartner entpuppte sich als «total netter Typ» – und sie selber konnte aufatmen.

Das Ergebnis, ein ganzseitiges Porträt über den Mann, der statt Flugzeugbauer Bergführer in der Göscheneralp wurde, überzeugte die Redaktion so sehr, dass Claudia Naujoks für 28 weitere Porträts der Reihe «(Ein)heimisch. In Uri eine neue Heimat gefunden» beauftragt wurde. «Da ich selber erst so frisch hier war, hat mich das Thema von Anfang an gepackt und mir sehr viel Spass bereitet», sagt die Wahl-Schweizerin.

Ihr Antrieb: Die Lust, Texte zu schreiben

Im Rahmen der Serie traf Claudia Naujoks die unterschiedlichsten Menschen aus unterschiedlichsten Ländern und Kulturen – und auf Geschichten, die unter die Haut gehen. «Beim Gespräch mit einer Frau aus Tibet beispielsweise sassen wir irgendwann beide da und weinten, weil mich erschüttert hat, was sie erlebt hatte.» Auf diese Weise konnte sie Personen kennen lernen, die sie ihrerseits der Redaktion für mögliche Porträts vorschlug – und sich damit ein Netzwerk schaffen.

Und auch wenn die Texte aus Claudia Naujoks inzwischen regelmässig in der «Urner Zeitung» abgedruckt werden, so ist ein Teil der Aufregung, wie sie sie beim ersten Auftrag mit Dan Loutrel erlebte, geblieben. «Mir fällt es prinzipiell nicht so leicht, auf fremde Menschen zuzugehen», gibt sie zu. «Das hat sich mit der Zeit zwar schon gebessert, aber es kostet mich noch immer ein wenig Überwindung.»

Was sie antreibt, sei die Lust, Texte zu schreiben. «Aber dafür braucht es halt Stoff, über den ich schreiben kann. Also gehört es nun mal dazu, rauszugehen, Anlässe zu besuchen und mit Menschen zu sprechen», sagt Claudia Naujoks. Sie habe fast nur gute Erfahrungen machen dürfen, die meisten seien offen und hilfsbereit. Und die Überwindung wurde immer belohnt – mit spannenden Geschichten.

Arbeit, die sich vielfältig lohnt

Dadurch habe sie auch persönlich von ihrer Arbeit als freischaffende Journalistin profitieren können. Ängste ab- und Selbstbewusstsein aufgebaut. Neben den spannenden Begegnungen und der Persönlichkeitsentwicklung nennt Claudia Naujoks einen weiteren Vorteil ihrer Arbeit: «Man kann sich mit Themen beschäftigen, die einen interessieren, die vielleicht neu sind oder einem am Herzen liegen.»

Claudia Naujoks hat die «Lizenz zum Fragenstellen».

Claudia Naujoks hat die «Lizenz zum Fragenstellen».

Bild: Carmen Epp (Schattdorf, 21. 2. 2023)

Diese «Lizenz zum Fragenstellen» bringe aber bisweilen auch Herausforderungen mit sich, wie sie sagt. So falle es ihr teilweise schwer, den Blick fürs Wesentliche zu behalten, weil sie den Leserinnen und Lesern gerne alles – oder zumindest so viel wie möglich – vermitteln möchte. «Entsprechend lang werden meine Texte, manchmal zu lang», sagt sie mit einem verlegenen Lächeln.

Die «Bandwurmsätze», für die Claudia Naujoks zu Beginn ihres journalistischen Arbeitens bekannt war, wurden jedoch seltener – und die 52-Jährige selbstbewusster, bei Texten einen eigenen Fokus zu setzen. Geholfen haben ihr dabei die Rückmeldungen des Redaktionsleiters. «Eine Schulung im klassischen Sinne gab es zwar nie, aber die einzelnen erfragten Tipps und Kniffe haben mir immer sofort geholfen.»

Daher könne sie die freie Mitarbeit bei der «Urner Zeitung» nur empfehlen, sagt Claudia Naujoks: «Wenn jemand Lust am sprachlichen Ausdruck hat, sich für Menschen und Themen interessiert und bereit ist, sich im Laufe der Zeit einen Blick fürs Wesentliche zu erarbeiten, dann lohnt sich die Arbeit auf vielfältige Weise.» Ob ihre allfälligen künftigen Kolleginnen und Kollegen ihre Texte ebenfalls aus einem so gemütlichen Kämmerlein schicken können wie Claudia Naujoks, wird sich weisen.