Kolumne
Ürner Asichtä: Ein Hoch auf das analoge Kinderbuch

Kolumnist und Politologe Tobias Arnold über die Grenzen der Digitalisierung.

Tobias Arnold
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Kolumnist Tobias Arnold.

Kolumnist Tobias Arnold.

Bild: Urner Zeitung

Digitalisierung ist ein Schlagwort unserer Zeit. Auch mich hat sie in vielen Lebensbereichen erfasst. Wenn ich zum Beispiel samstags die Kolumne «Ürner Asichtä» lese, dann mache ich das auf dem Bildschirm meines Smartphones. Ich gehöre seit längerem nicht mehr zu den Abonnenten der Print-Ausgabe der Urner Zeitung. Werden wir irgendwann geschriebene Texte nur noch auf flimmernden Bildschirmen lesen und wird der Buchdruck, nota bene eine der wichtigsten Errungenschaften in der Geschichte der Menschheit, bald verschwinden? Ich glaube nicht. Was mich zu dieser Vermutung veranlasst? Kinderbücher!

Gezählt habe ich sie nicht, aber es dürften sich fast 100 Kinderbücher in den diversen Regalen in unserer Wohnung befinden. Ich könnte eine eigene Bibliothek eröffnen. Von einfachen Büchern mit Bildern als Einstieg in die Buchwelt, spannenden Wimmelbildern mit dutzenden versteckten Geschichten bis hin zu tiefgründigen Storys, die auch Erwachsene zum Nachdenken anregen; die Vielfalt ist gigantisch. Ich muss gestehen: Am liebsten sind mir die Kinderbücher mit den grossen Bildern und den kurzen Texten. Wenn nach strengem Arbeitstag die Tochter oder der Sohn noch die Gutenachtgeschichte vorgelesen bekommen möchte, ist dies einfacher mit kurzen und knappen Texten anstatt mit langen Romanen.

Aber egal ob lange oder kurze Texte, Kinderbücher sind aus dem Familienalltag nicht mehr wegzudenken. Können Sie sich vorstellen, dass anstatt eines Regals voll Kinderbücher einfach ein Tablet irgendwo auf einem Tisch steht, das ich am Abend zu mir nehme, um darin ein Kinder-E-Book für die Gutenachtgeschichte zu finden? Können Sie sich vorstellen, dass mein zweijähriger Sohn selber dieses Tablet bedient, um darin jenes E-Book zu finden, anstatt selber neugierig das Buch mit der tollsten Titelseite vom Bücherregal zu zücken? Können Sie sich vorstellen, dass ich meine vorfreudige Tochter kurz vor dem Ins-Bett-Gehen enttäuschen muss mit der nüchternen Feststellung, dass die Gutenachtgeschichte leider ausfällt, da das Tablet keinen Saft mehr hat und erst noch aufgeladen werden muss?

Ich glaube, die Antwort auf alle diese Fragen lautet Nein. Ich werde weiterhin Zeitungsleser über die App sein; den Wechsel auf die gedruckte Zeitung habe ich persönlich nicht vor. Aber seit ich in die Welt der Kinderbücher eintauchen durfte, habe ich meine Meinung zum Thema Digitalisierung etwas geändert. Digitalisierung nimmt zu, und sie wird weiter zunehmen. Aber sie hat auch Grenzen. Kinder werden auch in Zukunft mit gedruckten Büchern sozialisiert, und sie werden diese Erfahrungen ins Erwachsenenalter mittragen. Deshalb ist die Chance gross, dass wir auch in Zukunft noch Bibliotheken voll Erwachsenen-Belletristik als gedruckte Bücher haben werden und nicht einfach nur Laptops in unseren Wohnungen und Häusern herumliegen, mit denen wir die neusten digitalen Buchtipps aus einer Cloud herunterladen.