Dem Chef der Urner Bereitschafts- und Verkehrspolizei darf ein Wohnort im Kanton Uri vorgeschrieben werden. Das geht aus dem entsprechenden Urteil des Bundesgerichts hervor. Der Entscheid hat Folgen – allerdings nicht mehr im aktuellen Fall von Oliver Schürch.
Umzugspläne sorgen selten für Wirbel. Anders beim Chef der Urner Bereitschafts- und Verkehrspolizei: Oliver Schürchs Ankündigung vom Herbst 2017, Bürglen zu verlassen und in Luzern mit seiner Lebenspartnerin zusammenzuziehen, löste einen Rechtsstreit aus, der erst jetzt vor dem Bundesgericht ein Ende findet. Dabei deutete 2014 bei der Vergabe der Kaderposition noch nichts darauf hin, dass sich der Polizeioffizier und die Urner Sicherheitsdirektion dereinst einen juristischen Schlagabtausch liefern würden. Eine der aufgezählten Anforderungen im Inserat, auf das sich 14 Bewerber meldeten: «Bereitschaft zu unregelmässigen Arbeitszeiten und Wohnsitznahme im Kanton Uri.» Schürch, der bis dahin im Kanton Zürich gewohnt und gearbeitet hatte, war bereit dazu – und erhielt die Stelle.
Drei Jahre später folgte die Ankündigung des Umzugs, den die Vorgesetzten nicht akzeptieren wollten. Die Folge: Eine Verfügung der Urner Sicherheitsdirektion mit einer Frist bis Ende Juni 2018, um in den Kanton Uri zurückzukehren. Im vergangenen September wies das Obergericht des Kantons Uri die Beschwerde des Polizeioffiziers ab, worauf er sich ans Bundesgericht wandte.
Das am Dienstag veröffentlichte Urteil des obersten Gerichts zeigt: Um sich gegen die Wohnsitzpflicht zu wehren, beruft sich Oliver Schürch auf die Bundesverfassung. Unter anderem kritisiert er, sein Grundrecht auf Niederlassungsfreiheit werde verletzt, indem er seinen Wohnort nicht selbst wählen dürfe. Doch mit diesem Einwand findet er kein Gehör bei den obersten Richtern. Zwar ist unbestritten, dass der Entscheid der Urner Sicherheitsdirektion die Niederlassungsfreiheit des Chefs der Bereitschafts- und Verkehrspolizei berührt. Dieses Grundrecht darf jedoch unter gewissen Umständen eingeschränkt werden, nämlich dann, wenn eine gesetzliche Grundlage, ein öffentliches Interesse und die Verhältnismässigkeit gegeben sind. Das heisst: Die Einschränkung muss zumutbar, geeignet und erforderlich sein. Für das Bundesgericht sind all diese Kriterien erfüllt. Die drei Jahre, in denen Schürch im Kanton Uri gearbeitet und mehrheitlich auch gewohnt hat, könnten «nicht als ausreichend lebensprägend angesehen werden, um auch in Zukunft eine enge Verbundenheit mit dem Kanton Uri sicherzustellen».
Ein milderes Mittel als die Wohnsitzpflicht sei nicht ersichtlich. Das öffentliche überwiege gegenüber dem privaten Interesse, heisst es im Urteil weiter. Und: Die verfassungsmässigen Rechte des Polizeioffiziers seien nicht verletzt worden. Dies gilt nach Ansicht der Bundesrichter auch in Bezug auf die Rechtsgleichheit – also jenen Grundsatz, wonach alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind. Schürch hingegen ist gegenteiliger Meinung: Weil die Wohnsitzpflicht für andere hohe Angestellte des Kantons – insbesondere Staatsanwälte – nicht gelte, werde gegen dieses Prinzip verstossen. Für das oberste Gericht rechtfertigt sich diese Ungleichbehandlung aufgrund von zwei Unterschieden: Einerseits nehme man Staatsanwälte in der Öffentlichkeit weniger stark wahr als einen Polizeichef, andererseits führe eine Wohnsitzpflicht für diese Berufsgruppe zu Rekrutierungsproblemen.
Weil auch die übrigen Argumente des Polizeioffiziers die Bundesrichter nicht zu überzeugen vermögen, weisen sie seine subsidiäre Verfassungsbeschwerde ab und setzen ihm für die Rückkehr in den Kanton Uri eine Frist bis 31. Januar 2020. Der Entscheid ist allerdings bereits von der Aktualität überholt worden: Ende Juni meldete der Kanton Uri, Oliver Schürch habe per 30. September 2019 gekündigt. Sein Wohnort in der Stadt Luzern wird bei seinem neuen Arbeitgeber kein Thema mehr sein, er wird Abteilungsleiter Asyl und Rückführungen im Amt für Migration des Kantons Luzern. Folgenlos bleibt das höchstrichterliche Urteil dennoch nicht: Die Urner Behörden erhalten die Bestätigung, dass ihr Beharren auf einem Wohnsitz im Kanton rechtens ist.
Schürch muss neben den persönlichen Anwaltskosten auch die Bundesgerichtskosten in der Höhe von 3000 Franken übernehmen.
Bundesgerichtsurteil 8C_733/2018 vom 13. Juni 2019